Deutsche Reichsgründung 18. Januar 1871

zum 150. Jahrestag

Eigentlich haben wir zum 150. Jahrestags der Gründung des deutschen Kaiserreichs eine Ausstellung geplant. Nachdem diese aktuell leider nicht durchführbar ist, gibt’s dafür auf unserer Vereinshomepage einen Bericht. Nachdem zu der Zeit die Grafschaft Haag bereits aufgelöst war, sind wir ein Teil dieser Geschichte. Mit der Proklamation des 1. Deutschen Kaisers Wilhelm I. am 18. Januar 1871 in Versailles wird der Reichsgründungstag gefeiert.

Vor 150 Jahren wurde das Deutsche Kaiserreich mitten im Deutsch-Französischen Krieg im Spiegelsaal des Schlosses zu Versailles gegründet. Damit entstand der Deutsche Nationalstaat, in dem wir, wenn auch unter anderem Namen und anderem politischem System noch heute leben.

Proklamation des Kaisers in Versailles

Benjamin Disraeli, zu dieser Zeit der Britische Premier, nannte es das größte Unglück seiner Zeit und weil seine Königin Viktoria dann die Mutter der späteren Kaiserin Viktoria gewesen wäre, machte er sie 1877 zur Kaiserin von Indien um ihr die Schmach zu ersparen, vor ihrer Tochter den Hofknicks zu machen. Aber das nur nebenbei.

War es nun wirklich ein Unglück?

Versailles

Wenn man die Geschichte des Reiches bis 1945 betrachtet, dann könnte man oberflächlich tatsächlich davon sprechen. Aber erstens gab es ja schon vor 1871 eine Deutsche Geschichte und zweitens war der Deutsche Bund, der das ganze 19. Jahrhundert die Politik in Mitteleuropa prägte bereits 1866 zerbrochen. Schon die demokratischen Kräfte der Revolution von 1848 strebten die Deutsche Einheit an (wenn auch unter anderer Zielsetzung). Sie scheiterten, weil sie weder die Voraussetzung noch das Charisma eines Otto von Bismarck besaßen.

Das ein Deutscher Nationalstaat für Unruhe in Europa sorgen würde, war ebenso zu erwarten, wie schon die Kleinstaaterei die es vorher gab, die seit 1648 für regelmäßige Unruhe sorgten. Im Übrigen war es nur die logische Schlussfolgerung der Zeit, dass dieser Staat entstehen würde, denn sowohl im Russischen Polen als auch in Italien begann man an der Gründung eines Nationalstaates zu arbeiten. In Polen scheiterte man bis 1918, aber Italien konnte zwischen 1859 und 1870 im Windschatten der Deutschen Einigung seinen Staat begründen.

So lange Bismarck Kanzler war (immerhin 19 Jahre!) blieb das Reich eher ein Stabilitätsfaktor in Europa. Sein Wirtschaftlicher Aufstieg in den 1870er und 1880er Jahren sorgte eher für den Wohlstand in ganz Europa (zumindest in seinem Umfeld).

Erst Kaiser Wilhelm II. sorgte ab 1890 mit seiner provokativen Militärpolitik für Verwirrung und machte sich sowohl Großbritannien (mit seiner Flottenpolitik), als auch Russland zum Feind. Ja er trieb Russland förmlich in ein Bündnis mit Frankreich (das auf eine Revanche für die Demütigung von 1871 hoffte).

Doch nicht Deutschland, sondern sein engster Verbündeter Österreich-Ungarn sorgte schließlich mit der von Sarajevo ausgehenden Julikrise 1914 für den Cassus Belli zum 1. Weltkrieg. Deutschlands Hauptschuld lag darin, aufgrund des Schlieffenplanes zu glauben, man könne Frankreich und Russland gleichzeitig besiegen. Es waren dann die Bedingungen des Versailler Vertrages (ironischer Weise im selben Spiegelsaal unterzeichnet, indem das Reich 1871 gegründet hatte), die der 1. Deutschen Republik eine Hypothek aufbürdete, die es einem Adolf Hitler erleichterten die Machtergreifung zu erreichen. Der nächste Krieg ging dann tatsächlich auf unsere Rechnung und das Ende war dann schließlich bitter.

Unterzeichnung des Friedensvertrags 1919 im Spiegelsaal in Versailles
Schlosspark von Versailles

Das Reich wurde zwar 1945 / 1949 nicht offiziell aufgelöst, aber allein die Tatsache, dass sich Österreich als „Quasiopfer“ deklarierte und sich die östl. Republik DDR als nicht mehr Zuständig für die Deutsche Geschichte fühlte, übernahm die BRD die Verantwortung für die Verbrechen der Vergangenheit. Auf dieser Last wurde dann die 2. Republik aufgebaut und glücklicherweise von Klugen und Verantwortungsvollen Politiker in eine Europäische und nicht Deutschnationale Zukunft geführt.

Montanunion 1951, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG 1957 und die Ostverträge von 1970/71 führten schließlich dazu, dass man langsam diesem Deutschen Staat zu vertrauen begann.

Die Wende, die schließlich 1989/90 zur deutschen Einheit führte, konnte nur deshalb ohne größere Schwierigkeiten zu Ende gebracht werden, weil Deutschland mittlerweile ein fester Bestandteil des modernen Europas war.

Kanzler Helmut Kohl war sich nur zu bewusst, dass eine Deutsche Einheit nur im Rahmen einer Europäischen auf Dauer von Erfolg gekrönt sein würde.

Danach bewegte sich unser Staat langsam in die normale Staatengemeinschaft hinein. Und hier zeigt sich deutlich, dass Deutschland nach 1945 und ganz besonders nach 1990 mit Nichten ein Unglück für Europa, sondern ein Glücksfall geworden war.

Das heißt aber nicht, dass Deutschland nur der Zahlmeister ist, sondern, dass es für uns auch und ganz besonders ein Glücksfall ist, dass wir unsere Waren, die unseren Wohlstand ja erst begründet haben auch ohne Zollgrenzen in Europa verkaufen können.

Wäre das Reich vor 150 Jahren nicht geründet worden und wären die Deutschen Kleinstaaten noch heute in Mitteleuropa präsent, dann gäbe es keine Europäische Union und es würde allenthalben irgendwo bei uns einen kriegerischen Kleinkonflikt geben. Das heißt, es wäre in Mitteleuropa nicht annähernd so sicher wie heute und vor allem hätten wir nicht diesen Wohlstand, von dem ganz Europa heute profitiert.

Leider wird Großbritannien nach dem Brexit nur zu schmerzlich erfahren müssen, dass das Zeitalter der Nationalstaaten endgültig vorbei ist. Wenn wir also nicht zum Befehlsempfänger einer Supermacht China, noch ein Juniorpartner der USA werden wollen und wenn wir gegen Russland mit erhobenem Haupt unsere Positionen verteidigen wollen, dann muss Deutschland nach über 150 Jahren den nächsten Schritt tun und Teil einer Europäischen Zukunft werden. Dann muss unser nächstes Ziel heißen, „Die Konföderierten Staaten von Europa“. Dies gilt aber auch für alle anderen Staaten in Europa, alles andere würde wieder in den Nationalismus führen, der uns wie wir Wissen, 2 Weltkriege und die atomare Bedrohung im Kalten Krieg bescherte.

Alles in allem kann gesagt werden, dass die Deutsche Einheit, sowohl die von 1871, wie die von 1990 nicht nur eine Logische Schlussfolgerung der Geschichte war, sondern sowohl gutes wie schlechtes gebracht hat. Wir, unsere Generation, vor allem die nach 1990 geborene, hat die einmalige Chance Europa gemeinsam mit Frankreich in eine große Zukunft zu führen.

Schlosspark von Versailles